Verhängung mehrjähriger Jugendstrafen in dem Strafverfahren gegen drei angeklagte Heranwachsende (Hendrik Christo V., Calvin-Jeremias S. und Nick B.) wegen schwerer Zwangsprostitution und Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger.
In dem Strafverfahren um drei im Tatzeitraum teilweise jugendliche, teilweise heranwachsende junge Männer wegen schwerer Zwangsprostitution und Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger wurde am heutigen neunten Hauptverhandlungstag vor dem Landgericht Wuppertal das Urteil verkündet.
Hendrik V.: 21 Fälle der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
Die Jugendkammer hat den Angeklagten V., heute 19 Jahre alt, der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger in 21 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit schwerer Zwangsprostitution, der Beihilfe zur Beteiligung an einer Schlägerei in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen gemeinschaftlichen Körperverletzung sowie des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und der Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung schuldig gesprochen. Gegen den Angeklagten V. hat die Kammer unter Einbeziehung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 04.12.2023, 21 NBs 15/23, eine Einheitsjugendstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verhängt. Hinsichtlich eines Betrags von 3.380 EUR ist die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen angeordnet worden.
Calvin S.: 12 Fälle der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
Der mitangeklagte ebenfalls 19-jährige S. ist der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger in 12 Fällen sowie der Beteiligung an einer Schlägerei in Tateinheit mit gefährlicher gemeinschaftlicher Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Gegen ihn ist unter Einbeziehung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 04.12.2023, 21 NBs 15/23, eine Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten verhängt worden.
Nick B.: 12 Fälle der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
Der weitere Angeklagte B., 22 Jahre alt, ist der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger in 12 Fällen sowie der Beteiligung an einer Schlägerei in Tateinheit mit gefährlicher gemeinschaftlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und in einem Fall der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger freigesprochen worden. Gegen den Angeklagten B. ist unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Wuppertal vom 22.12.2022, 87 Ls 12/22, eine Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren verhängt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Hinsichtlich eines Betrags von 680 EUR ist die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen angeordnet worden.
Tatzeitraum: August 2022 bis Januar 2023
Die Kammer hat zu den angeklagten Taten aus der ersten Anklage (zum Az. 21 KLs 22/23) im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: Die Angeklagten hätten in der Zeit von August 2022 bis Januar 2023 in arbeitsteiligem Zusammenwirken nach einem zuvor gefassten gemeinsamen Tatplan insgesamt fünf weibliche Jugendliche, die zum Tatzeitpunkt alle unter 16 Jahren alt gewesen seien, dabei unterstützt sich zu prostituieren. Die konkrete Ausgestaltung der Tatbeiträge sei nach dem Tatplan vom Zufall abhängig gewesen. Die Angeklagten hätten in den sich aus dem Schuldspruch ergebenden Fällen die Prostitutionstätigkeiten der Minderjährigen zwar unterstützt, die Minderjährigen nach den Ausführungen des Vorsitzenden in der Urteilsbegründung jedoch nicht ausgebeutet, weshalb die Angeklagten sich nicht auch wegen Zuhälterei strafbar gemacht hätten.
Hendrik V. – Auch wegen schwerer Zwangsprostitution verurteilt
Soweit der Angeklagte V. auch wegen schwerer Zwangsprostitution verurteilt worden ist, hat die Kammer festgestellt, dass die Geschädigten von dem Angeklagten V. überredet worden seien, die Prostitution fortzusetzen, als sie dies selbst nicht mehr gewollt hätten, und die Geschädigten zudem unter 18 Jahren alt gewesen seien.
Hendrik V. hat einem Zeugen „Stiche“ angedroht
Zum Anklagevorwurf aus der zweiten Anklage (zum Az. 21 KLs 6/24) hat die Kammer festgestellt, dass die Angeklagten S. und B. – unterstützt von dem Angeklagten V. – im Dezember 2022 die Geschädigten verfolgt und sodann geschlagen und getreten hätten. Einer der Geschädigten ist durch eine auffällige Narbe auf der Stirn dauerhaft entstellt. Zu den mit der dritten Anklage (zum Az. 21 KLs 11/24) vorgeworfenen Straftaten hat der Angeklagte V. nach den Feststellungen der Kammer eine Fahrt ohne Fahrerlaubnis im Dezember 2023 unternommen. Zudem habe der Angeklagte V. im Februar 2024 einem Zeugen „Stiche“ angedroht.
Die Kammer hat auf alle drei Angeklagten Jugendstrafrecht angewendet und wegen eines in unterschiedlichen Ausmaßen bestehenden Erziehungsbedarfs der Angeklagten die obengenannten Jugendstrafen verhängt. Bei der Höhe der Jugendstrafe hat die Kammer insbesondere die weitgehenden Geständnisse der Angeklagten, aber auch eine ‒ bei den Angeklagten V. und S. anzunehmende ‒ verminderte Schuldfähigkeit sowie die Vorstrafen berücksichtigt. Beim Angeklagten V. hat sie zudem berücksichtigt, dass er die Taten im Dezember 2023 und Februar 2024 begangen habe, während er vom Vollzug von Untersuchungshaft verschont war.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Binnen einer Frist von einer Woche kann hiergegen Revision eingelegt werden, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.
Hendrik V. und Calvin S. sind keine unbekannten
Vor fünf Jahren sorgte in Wuppertal die sogenannte Gucci-Bande für Schlagzeilen. Damals griffen jugendliche Intensivtäter einen 70-jährigen Rentner an, der daraufhin zum Pflegefall wurde. Im Herbst des letzten Jahres verstarb er an den Folgen dieser Tat. Die Jugendlichen hatten sich nach dem Rap-Song „Gucci Gang“ benannt.