Köln – Julia M. (44) aus Hennef hat ein mulmiges Gefühl an jenem Montagmorgen vor fünf Wochen. Ihre Tochter Lika (14) möchte zum ersten Mal alleine mit einer Freundin nach Köln fahren. Wenige Stunden später liegt das Mädchen mit schwersten Verbrennungen in einer Klinik – bis heute. Lika ist zum Opfer von Mohammad R. (55) geworden, der mit einem Brandanschlag im McDonald’s und einer Geiselnahme im Hauptbahnhof ganz Köln stundenlang in Atem hielt, ehe ihn Beamte eines Spezialeinsatzkommandos mit Schüssen niederstreckten. Julia M. schildert bei einem exklusiven Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Radio Köln“ wie es ihrer Tochter heute geht.
Julia M.: „Köln macht mir Angst“
„Ich war dagegen“, sagt Julia M. bei dem Gespräch. „Hennef ist klein“, erklärt sie leise. „Da sind die Leute freundlich und hilfsbereit. Köln macht mir Angst. Es ist so groß, es passiert immer was.“
Mit Freundin am Dom Fotos machen
Schließlich aber gibt sie dem Drängen ihrer Tochter nach und erlaubt ihr den Ausflug mit der Freundin. An jenem Mittag nach 12 Uhr ruft Lika ihre Mutter an. „Sie sagte, sie und Jasmin seien gerade im McDonald’s im Hauptbahnhof und wollten einen Burger essen.“ Anschließend planten die Mädchen, zum Dom zu gehen und Fotos zu machen, die sie bei Instagram einstellen wollten.
„Mach dir bitte keine Sorgen, Mama“
Eine Viertelstunde später der zweite Anruf. „Mach dir bitte keine Sorgen, Mama“, sagt Lika. „Es ist alles okay mit mir.“ Dann legt sie auf. Ihre Mutter spürt sofort, dass etwas Schlimmes passiert sein muss. „Likas Stimme war so ruhig“, erinnert sie sich, „so habe ich meine Tochter noch nie sprechen hören.“
„Lika wurde angezündet“
Aber Lika geht nicht mehr ans Telefon. Die Mutter ahnt nicht, dass ihr Kind in einem Rettungswagen liegt und mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren wird. Jastin (13), der Bruder, kriegt die Freundin ans Telefon: „Lika wurde angezündet“, sagt die.
Täter war ihr aufgefallen
Lika M. war der 55-jährige Täter im McDonald’s sofort aufgefallen. Ein merkwürdiger Typ, dachte die Gymnasiastin noch. Sie sah, wie er Flüssigkeiten auf den Boden schüttete. Auf dem Tisch vor ihm lag eine Pistole. „Beides hat sie den Verkäufern hinter dem Tresen gesagt“, erzählt ihre Mutter. Die hätten sich daraufhin flüsternd beraten. Dann habe Lika ihre Bestellung aufgegeben. Im nächsten Moment ein Knall, ein Feuerball schießt durch das Restaurant. Gäste und Angestellte bringen sich in Sicherheit, manche flüchten in Panik durch die Eingangstür auf den Breslauer Platz, auch Jasmin.
Bei Flucht auf Benzin ausgerutscht
Lika M. hat weniger Glück. Sie steht an der Theke mit dem Rücken zu dem Täter und bekommt von dem Feuer im ersten Moment nichts mit. Als sie sich umdreht und weglaufen will, rutscht sie auf der Benzinpfütze aus. Die Schuhe fangen Feuer. Es gelingt dem Mädchen nicht, sofort aufzustehen. „Sie hat ihre schwere Tasche weggeschmissen, erst dann konnte sie mit letzter Kraft aufstehen und wegrennen“, schildert Julia M.
Flammen schlagen bis zur Hüfte
Schreiend läuft die 14-Jährige ins Freie. Fassungslos berichten Augenzeugen später, dass das Mädchen immer weiterlaufen wollte, es sei gar nicht ansprechbar gewesen, so schwer habe es offensichtlich unter Schock gestanden. Die Flammen schlagen an Likas Beinen hoch bis zur Hüfte. Ein anderer Zeuge hält das Mädchen auf, zieht ihm die brennenden Socken aus. Eine Apothekenangestellte eilt hinzu und leistet Erste Hilfe, andere Menschen löschen die Flammen schließlich mit Wasser und rufen einen Notarzt. Mit dem Rettungswagen geht es in die Klinik. Dort wird Lika sofort operiert.
Zehn Prozent ihrer Haut sind verbrannt
Seitdem hat sie das Krankenhaus mehr nicht verlassen. Das Mädchen hat schwere Verbrennungen an beiden Beinen, vor allem am rechten. Zehn Prozent ihrer Haut sind verbrannt. Der Heilungsprozess ist kompliziert. Die Ärzte haben Teile ihrer Kopfhaut auf die verbrannten Beine transplantiert. Doch immer wieder treten Probleme auf. Wunden entzünden sich, Folgeoperationen werden nötig.
Julia M. weicht ihrer Tochter nicht von der Seite
Wann Lika das Krankenhaus wieder verlassen kann, ist völlig unklar, berichtet ihre Mutter. Gehen könne ihre Tochter derzeit nicht, stehen und sitzen nur unter Schmerzen. Julia M. ist bei ihr im Zimmer eingezogen, sie weicht ihr kaum von der Seite.
Finanzielle Belastung für Familie
Lika und ihr Bruder seien ein Herz und eine Seele, erzählt Julia M. Jeden Tag kommt Vater Alexander mit Jastin von Hennef nach Köln ins Krankenhaus. Das Spritgeld zehrt an den Finanzen der Familie. Alexander ist Busfahrer. Weil er im Schichtdienst arbeitet, ist Jastin zu Hause oft auf sich allein gestellt. Julia M. ist in ihrem Minijob seit fünf Wochen krankgeschrieben, um in Köln für ihre Tochter da zu sein. Und noch etwas bereitet der Familie Sorge: Erst kürzlich haben die Eltern in Hennef ein altes Häuschen gekauft, das abbezahlt und womöglich bald noch umgebaut werden muss. Denn die Kinderzimmer sind in der ersten Etage. Aber niemand weiß zurzeit, wie schnell und wie gut Lika sich erholen wird, ob und wann sie wieder laufen kann.
Das hat Lika in der Zukunft gerne vor
Über die Tat oder den Täter spreche Lika kaum, erzählt die Mutter. Das spiele offenbar keine große Rolle für ihre Tochter, zumindest nicht im Moment. Nur bei den beiden Männern, die ihr Schuhe und Socken ausgezogen haben, möchte ihre Tochter sich unbedingt bald bedanken. Lika hört gerne Musik, vor allem Hip-Hop, möchte gerne tanzen lernen. Ihre Mutter, sagte Lika, solle sie schon mal in einer Tanzschule anmelden.
Spendenkonto für Lika und ihre Familie
Der Anwalt der Familie hat ein Spendenkonto für Lika eingerichtet. Wer für sie oder ihre Familie spenden möchte, kann dies unter folgender Bankverbindung tun: Volksbank Köln Bonn eG BIC: GENO DE D1 BRS. IBAN: DE17 3806 0186 4601 4980 28
Verwendungszweck: Lika
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